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Juristische Fachinformation: Scheinselbständigkeit

KURZ ERKLÄRT:

Die Organisation von Veranstaltungen bedingt in aller Regel die Zusammenarbeit von zahlreichen verschiedenen Unternehmen. Die Rechtsformen dieser Unternehmen sind in der Veranstaltungsbranche vielfältig: von großen, bundesweit oder sogar international tätigen Gesellschaften bis hin zu Selbständigen, die ihre Dienste als Solo-Selbständige anbieten. Gerade bei der Beauftragung von einzeln tätigen Dienstleistern gehen sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer schnell große Haftungsrisiken ein.

SO IST DIE RECHTSLAGE:

Von scheinselbständigen Arbeitnehmern spricht man, wenn Personen zwar vertraglich als selbständige Auftragnehmer auftreten, in Wahrheit aber als abhängig Beschäftigte anzusehen sind. Die Abgrenzung, ob jemand selbständig oder angestellt tätig ist, erfolgt nicht pauschal für bestimmte Berufsgruppen. Vielmehr hängt sie von einer Vielzahl von Kriterien ab und muss im Einzelfall entschieden werden. Für abhängig Beschäftigte greift die Sozialversicherungspflicht. Nachzahlungen können fällig werden, wenn sich ein Vertragsverhältnis nachträglich als Scheinselbständigkeit herausstellt. Dies trifft zunächst immer das beauftragende Unternehmen. Der Auftraggeber trägt also das Haftungsrisiko. Ob er sich vom Auftragnehmer etwas zurückholen kann, hängt vom Einzelfall ab. Ob eine Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt oder auf Honorarbasis eine Leistung im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses selbständig erbracht wird, wird nicht nach der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses entschieden.

Die Grenzen zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit sind fließend. Bei der Abgrenzung kommt es weniger auf formale Betrachtungen, z. B. auf die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freies Mitarbeiterverhältnis, sondern vielmehr auf die inhaltliche Ausgestaltung und die tatsächliche Durchführung an. Für die Abgrenzung hat die Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt. Können mehrere dieser Kriterien bejaht werden, so liegen die Arbeitnehmerschaft und damit eine Scheinselbständigkeit des Freien Mitarbeiters nahe:

  • Weisungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich Dauer, Ort und Inhalt der Tätigkeit (Tätigkeit nach Weisung)
  • Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (ersichtlich z. B. durch Nutzung der Arbeitsgeräte, Pflicht zur Vertretung anderer Mitarbeiter, Dienstbekleidung, etc.)
  • Persönliche Abhängigkeit zum Unternehmer
  • Verpflichtung des Mitarbeiters, die Leistung nur in eigener Person zu erbringen
  • Verpflichtung zur Annahme der angebotenen Aufträge
  • Kein unternehmerisches Auftreten des Mitarbeiters am Markt
  • Kein eigenes Unternehmensrisiko (z. B. durch Einsatz eigener finanzieller Mittel)
  • Festvergütung über einen längeren Zeitraum vergleichbar mit dem Gehalt
  • Geringe Vergütung, ohne dass der Betreffende eine realistische Möglichkeit hätte z. B. eigene Versicherungen selbst zu bezahlen

DARAUF KOMMT ES AN:

  • Problematische Konstellationen erkennen! Um zu wissen, wann ein Haftungsrisiko drohen könnte, muss man die typischen Problemfelder kennen. Schwierig wird es vor allem, wenn externe Mitarbeiter mit einfacheren Aufgaben betraut werden und gleichzeitig in die Organisation des Auftraggebers eingegliedert sind. In der Praxis betrifft dies z. B. Stagehands, Veranstaltungstechniker, Projektassistenten, Gewerkeleiter / Vorarbeiter.
  • Die rechtliche Darstellung im Vertrag ist wichtig, aber nicht ausreichend. Entscheidend ist, wie der Auftrag tatsächlich umgesetzt wird. In kritischen Fällen bietet es sich an, die freie Tätigkeit des Auftragnehmers in der Umsetzung zu dokumentieren.
  • Das Thema frühzeitig ernst nehmen! Besonders in schwierigen Abgrenzungsfällen lassen sich durch eine vorherige Prüfung des Themas Weichen stellen – sowohl hinsichtlich der Vertragsgestaltung als auch in der Umsetzung. Wenn das Risiko zu groß wird, stehen im Vorfeld auch Alternativen zur Verfügung, die es später nicht mehr gibt: z. B. ein Statusfeststellungsverfahren oder die Entscheidung für eine andere Auftragsform (Anstellung, Arbeitnehmerüberlassung).
  • Die Auseinandersetzung mit den zuständigen Sozialversicherungsträgern kann teilweise schwierig sein. Das Sozialrecht ist ein sehr spezielles Rechtsgebiet und die Träger sind für gute Argumente oftmals nicht sehr empfänglich. Es kann sich aber lohnen, streitige Fälle durch die Sozialgerichte entscheiden zu lassen.

Noch Fragen? WIR BERATEN EUCH GERNE!

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